DER HOHER REPRÄSENTANT CHRISTAN SCHMIDT
AM SCHEIDEWEG VON GUT UND BÖSE
Sehr geehrter Herr Schmidt
In diesem Brief möchte ich die Gedanken eines gewöhnlichen
bosnischen Mannes zum Ausdruck bringen. Ich glaube, dass dieser Text mit der
Denkweise der Mehrheit der Einwohner von Bosnien und Herzegowina übereinstimmt.
Sie sagten, dass der Fortschritt und Weg Bosniens sei keine
Frage der Mehrheit, sondern des Charakters des Landes mit drei Gemeinschaften
und drei Volksgruppen, und das sei eine sehr komplexe Angelegenheit!
Vielleicht meinten Sie an die „Komplexität“, die der
ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble beim Symposium in Neustadt an
der Eisch am 5. September 2021 erläuterte. Dann sagte er, im Falle eines
Zerfalls Bosnien-Herzegowinas als "fragiles Staatsgebilde" bleibe es
"eine muslimische Insel mit erheblichem Konfliktpotenzial und ständiger
Quelle von Unruhe"?
Bei diesem Treffen wurde Bosnien als Staat mit muslimischer
Mehrheit als fragil (fragwürdig) bezeichnet.
Herr Schmidt, folgen Sie nicht dieser Agenda!
Von der Fragwürdigkeit der Republika Srpska, die aus dem
Völkermord hervorgegangen war und die der Verbrecher Ratko Mladić vorgesehen
hatte, war in diesen Gesprächen keine Rede.
Fragile serbokroatische Ethnonationalismen, welche die einheitliche
bosnische Gesellschaft spalten und durch Planung und ständigen politischen
Druck drei ethnische Gemeinschaften in Bosnien und Herzegowina installieren,
wurden in dieses Gespräch nicht einbezogen.
Serbische und kroatische Ethno-Nationalisten wollen Bosnien
nicht in Ruhe lassen und schaffen damit mehr Raum für den Einfluss der
destruktiven russischen Politik, die global sehr gefährlich für Europa ist...
Auch in der
Bundesrepublik Deutschland gab es in der Vergangenheit zerstörerische
politische Strömungen wie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD).
Die demokratische deutsche Politik erlaubte es jedoch nicht, solche
destruktiven Wünsche und Besonderheiten zu respektieren. Eine
Einigung mit der NPD in Deutschland war nicht möglich, ebenso wie eine Einigung
zwischen Politikern und Strömungen, die Bosnien lieben, und denen die Bosnien
zerstören wollen, in Bosnien unmöglich ist. Ich denke, das ist klar.
Auch in der Schweiz gab es eine separatistische Politik
(Front de Libération Jurassien), der keine Chance gegeben wurde, die
einheitliche gesellschaftspolitische Gemeinschaft zu schwächen und die Schweiz
nach dem national-ethnischen Prinzip zu richten.
Auch Bosnien braucht eine endgültige klare Richtung für die
Entwicklung. Es ist notwendig, die bürgerliche Legitimität mit einer
einheitlichen Gemeinschaft vor einer ethno-nationalistischen „Legitimität“ zu
stärken die den Interessen der Nachbarländer mehr dient als den Interessen der
Wirtschaft und der politischen Stabilität im Staat Bosnien und Herzegowina.
Herr Schmidt, Sie als
europäischer, deutscher Politiker sollten verstehen, dass es auf dem Balkan
eine destruktive ethno-nationalistischer Quelle gibt, welche mit beständigen
Projekten begegnet werden sollte. Die serbisch-orthodoxe Kirche ruft zur
Spaltung der bosnischen Gesellschaft auf und feiert Kriegsverbrecher als
Helden.
Mit Religionsgemeinschaften, die
einen starken Einfluss auf die Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina haben,
soll ein ständiger und intensiver Dialog geführt werden.
Warum wiederholen Sie beharrlich, dass in Bosnien drei
Gemeinschaften aufgebaut werden sollten, die Instabilität garantieren, wenn es
möglich ist, eine einheitliche stabile Gemeinschaft aufzubauen, die alle
ethnischen und religiösen Unterschiede respektiert?
Aus bosnischen historischen Dokumenten erfahren wir, dass
bereits im Mittelalter eine einheitliche bosnische Gesellschaft existierte
(Bosnien – das Land der guten Bosniaken) und von einem bosnischen König geführt
wurde. Heute, in «moderne», nationalistische Zeitalter haben wir drei
Staatspräsidenten und zwei Gemeinschaften, die eher den Interessen benachbarter
nationalistischer Staaten mehr dienen als den Interessen der Bürger Bosniens.
Lesen Sie die Inschrift auf der Kathedrale von Sarajevo: „Bosniaken Katholiken der Stadt
Sarajevo 1887“ und fragen Sie sich, wohin sind diese katholischen
Bosniaken verschwunden?
Heute sollten gemäss der serbokroatischen
ethnonationalistischen Matrix in Bosnien, alle bosnische Katholiken Kroaten
sein und alle bosnische Orthodoxen Serben sein und sollten in erster Linie die
Interessen der Nachbarländer lieben und schützen. In diesen nationalistischen
Kreisen ist es fast verboten, das Wort Bosnier und bosnisch zu verwenden ...
Serbische und kroatische Ethnonationalisten wollen in
Bosnien ein destruktives politisches System aufrechterhalten, das bosnischen
Bürgern aus katholischer, orthodoxer oder jüdischer Herkunft, die ihre Heimat
Bosnien lieben, jegliche politische Legitimität abspricht.
Bosnier wie Željko Komšic, fra Ivo Marković, Ivo Komšić, Stjepan
Kljujić, Stjepan Šiber, Lana Prlić, Bogić Bogić, Jovan Divjak, Miro Lazović, Mirko
Pejanović, Dragan Vikić, Rajko Mihajlović, Mihajlo Petrović, Rade Zoranović, Saša
Magazinović, Vojin Mijatović, Slaven Kovačević, Milan Dunović, Emerik Blum, Eli
Tauber, Jakob Finci, Sven Alkalaj, Marjan Hajnal, Benjamina Landrc… sollen laut
Ethnonationalistischen Agenda keine Erwähnung, politische Bedeutung und
Legitimität im Staat Bosnien und Herzegowina haben!
Diese Agenda sollte zur endgültigen ethnischen Spaltung und
Auflösung des Staates Bosnien und Herzegowina führen.
Die Mehrheit der Einwohner Bosniens will jene ethnonationalistischen
Tendenzen, die zunächst aus der Nachbarschaft kommen, nicht länger dulden und
wird sich ihnen in Zukunft entschieden entgegenstellen.
Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass uns keine Konferenzen
helfen werden, aber das gilt nur, wenn wir in dieser ethnonationalistischen „Konstituenten“
Matrix bleiben.
Wenn es möglich ist, dass eine einheitliche Schweizer
Gesellschaft in einem europäischen vielsprachigen, vielethnischen Staat
erfolgreich existiert, warum sollte dies nicht in Bosnien mit der aufrichtigen
Unterstützung Europas möglich sein?
Ein stabiles Haus wird auf einem einzigen, verbundenen, stabilen
Fundament gebaut, während ein nicht verbundenes Fundament aus mehreren Teilen
mit der Zeit bricht und das Haus einstürzt!
Es ist sicherlich möglich, eine starke und einheitliche
bosnische Gesellschaft zu entwickeln, es sei denn, die heuchlerische Politik
der europäischen Konservativen, Radikalen und Islamfeindlichen setzt sich
durch, die kein starkes Bosnien wollen, aus Angst vor der Integration von zwei
Millionen Muslimen aus Bosnien und Herzegowina in die EU, wie Viktor Orban
sagte?
Glauben Sie wirklich, dass Sie mit Hilfe eines solchen
"europäischen Geistes" die Arbeit hier beenden können?
Achten Sie bitte, dass der «europäische Geist» nicht dem
holländischen in UN- Sicherheitszone Srebrenica gleicht?
Sie sagen: «die Bosnier sollten sich einigen»!
Wir erinnern Sie daran, Mr. Schmidt. Wir Bosniaken einigten
uns auf eine Sicherheitszone in Srebrenica und gaben unsere Waffen im Glauben
an den «europäischen Geist» ab.
Die niederländischen UN-Soldaten, die uns beschützen
sollten, taten dies nicht. Wir sind getäuscht.
Ich glaube, dass Europa einen humanen „bosnischen Geist“
mehr braucht als Bosnien einen gespaltenen und heuchlerischen „europäischen
Geist“.
Verraten Sie uns nicht noch einmal, denn nur dann bricht
Chaos auf dem Balkan aus...!
Nicht, weil wir Bosnier es so wollen, sondern wegen der
Natur des Konflikts zwischen Gut und Böse.
Ihre emotionale Ansprache in Goražde, im Osten Bosniens,
zeigt, dass Gutes in Ihnen steckt. Es liegt an Ihnen zu entscheiden, auf
welcher Seite Sie stehen, als Humanist wie Tadeusz Mazowiecki, UN-Gesandter (
https://www.nybooks.com/articles/1995/09/21/a-letter-of-resignation / ) oder
als Unmensch, der blind der Agenda der Finsternis folgt?
Wir Bosnier werden zusammen mit unseren Freunden, Humanisten
auf der ganzen Welt, nicht müde werden im Kampf für eine einzigartige humane
Gesellschaft in unserer schönen europäischen Heimat Bosnien (und Herzegowina)!
Senad Ušanović
Bosnische Welle
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